NEUJAHRSMARATHON ZÜRICH (SCHLIEREN)
von Jacqueline Keller-Werder


 

Im November sandte mir Jazzpianist und Läufer Christoph Hegi aus Rütihof eine Ausschreibung über einen „ungewöhnlichen“ Anlass in der Neujahrsnacht 2004/05. Kommentar: „Jackie, ich habe grad’ an Dich gedacht“…  Auch ich dachte bei meinen Trainings fast täglich an  „Christophs Anlass“, den Neujahrsmarathon Zürich. Zwei Tage vor Anmeldeschluss fasste ich Mut und liess die Katze auch bei meinem Mann Fabian aus dem Sack. „Geh doch, wenn’s  Dir Spass macht“, war sein Kommentar. In der Hoffnung, dass ich noch einen Startplatz ergattern könnte, sandte ich dem OK das bescheidene Startgeld von Fr. 20.00.
Klar war für mich aber von Anfang an, dass ich den Stausee-Lauf bestreiten würde und zwar nicht „halbbatzig“.  Ich hatte ja Erfahrung mit Ausdauer-Anlässen. Es half mir sehr, daran zu denken, dass in Bergün die Beine auch nicht mehr frisch sind (und immer noch ein Marathon bis nach Davos zu laufen ist…) und auch bei den 24 Stunden-Langlauf-Rennen mit X’tra  musste ich jeweils 5 – 6 x  mit immer müderen Beinen wieder in die Loipe.

Silvester 2004
Nach dem  sehr zufrieden stellenden Lauf in Gippingen fuhr ich gegen Abend nach Hause, wo mir Fabian bereits die Weisungen für den Abendmarathon bereit gelegt hatte. Ich belastete mich im Vorfeld überhaupt nicht mit diesem Marathon und erzählte nicht mal meinem Vater „Maus“ davon. Ich bereitete für meine Familie ein Fondue Chinoise zu und für mich Penne mit Tomatensauce. Um etwa 20 Uhr entkorkte Fabian  den Rotwein und ich stiess mit ihm mit meinem Coca Cola an. Der Wein gelüstete mich überhaupt nicht…
Nach dem Abwasch überkam mich eine ziemliche Müdigkeit und ich musste mich zwei/dreimal mit einem nassen, kalten Waschlappen wieder „wecken“. Um 22h15 – Fabian startete mit den Kindern gerade zum Dessert - fuhr ich zu Hause los. Was würde mich wohl erwarten?

Sportanlage Zelgli, Schlieren, 2004
Rund eine Stunde vor dem Start kam ich beim Start-/Zielgelände in Schlieren an. Es war wie bei einem sehr kleinen Wettkampf, aber alles sehr, sehr ruhig. Man sah sofort, dass alles sehr gut organisiert war. Viele bekannte (Ultra-)Gesichter  waren auszumachen und nur einige ganz wenige Fans. Die Aargauer Laufszene war ebenfalls sehr gut vertreten. Es regnete leicht. Was sollte ich wohl anziehen? Ich entschied mich für die „Bjoern Dählie“ Langlaufhose (regen- und schneeabstossend), ein altes Frottée-LL-Shirt und ein Regenshilet drüber. In einen Bauchgurt steckte ich noch Ersatzbatterien und Schokolade.

Neujahr 2005
Mit Zuschauer Roger Schneider und seiner Frau Silvia marschierte ich zum Start. Roger wollte mir noch etwas „Schämpis“ geben… Währenddem nun die wenigen Fans eben ihre Flaschen-Vorbereitungen trafen und es rundherum zu krachen und feuern begann, krachte auch unser Startschuss. Ruhig gingen die etwa 200 LäuferInnen den Lauf an, welcher
im flachen Limmat(schutz)-Gebiet  Dietikon-Schlieren-Altstetten  stattfand (siehe Kartenausschnitt).

Ich nahm mir den 5 Minuten-Schnitt vor.
Bald war ich ganz alleine und bald wars auch richtig dunkel, denn nach rund einer halben Stunde, bzw. 5 – 6 km war die Knallerei vorbei. Und bald schmerzten auch meine Beine. So ein schneller 7 km-Lauf kurz bevor ist natürlich auch nicht „ganz ohne“…
Mein „Pfuus“ war aber super und ich musste einfach wieder daran denken, dass mir auch schon anderswo die Beine etwas weh taten (und ich dachte auch an unsere Annette, welcher auf derselben Strecke auch schon die Beine weh taten …). Dann hatte ich auch noch ein anderes kleines Problem: der Hunger! Vor und nach dem Stausee-Lauf  ass ich nicht sehr viel und die zwei Teller Penne waren wohl auch schon bald verbrannt… Zum Glück waren die Verpflegungsstände sehr gut betreut und bestückt und ich hatte auch noch meine Schokolade dabei.
Ich hielt meinen 5er-Schnitt eigentlich problemlos durch. Es tat gut, jeweils nach Kilometern der Einsamkeit, wieder an einen Verpflegungsposten zu kommen. Die Zuschauer konnte ich in der Dunkelheit kaum erkennen, jedoch hörte ich viel meinen Namen, was mich auch aufstellte. Plötzlich, bei km 30, da rannte jemand neben mir und rief: „super“. Es war mein Mann Fabian, welcher mich (nahe seines Arbeitsplatzes…) in dieser dunklen Nacht fand.
Aufgestellt rannte ich weiter.  In Dietikon, bei ca. km 37 oder 38 stand er nochmals.
Inzwischen hatte ich (die bis dahin führende?) eine Frau überholt. Ich war total erfreut und aufgestellt und bog in Dietikon ab, über die Autobrücke und lief den Läufern auf der andern Fluss-Seite entgegen. „He, Du besch falsch!“, rief einer! Also umkehren, wieder über die Brücke und „seckle“. Kurz darauf überholte ich diese Frau wieder. Ich merkte, dass ich immer noch Zug hatte und war mir ziemlich sicher, dass ich sie in Schach halten konnte, bis ins Ziel.
Das Ziel war dann eine recht trostlose Sache. Einige Funktionäre und Angehörige (es war natürlich auch trostlos kalt, nass und dunkel…) empfingen uns. Ich wartete und wartete… doch die von mir zweimal überholte Frau kam nicht, dafür Jeanine Vogler aus Thalwil als zweite. Auch sie war der Meinung, noch eine Frau überholt zu haben, kurz vor dem Ziel…
Unter der Dusche löste sich das Rätsel. Die „fragliche“ Frau betreute auf der zweiten Hälfte laufend ihren Partner, welcher im letzten Streckenabschnitt einbrach. Sie lief dann allein weiter und wurde deshalb von uns überholt…

Laufende und Siegerehrung
In den Garderoben waren bereits viele Läufer zugegen. Es dünkte mich, dass auch eine rechte Anzahl aufgab (das Zeitlimit war 4 ½ Stunden!!!). Auch Silvia Pleuler kam bald unter die Dusche, sie lief als dritte Frau ein. Im „Beizli“ gabs Penne und Gerstensuppe. Ich beschloss, nur etwas Brot zu essen und dann zu Hause Kaffee, Gipfeli, Brötli, Käse… (mmh, Ihr wisst ja, so ein Sonntagszmorge…) einzunehmen. Es wurde noch etwas gefachsimpelt, erzählt, gelacht und bald war die Siegerehrung. Und tatsächlich, ich war mir nämlich vorher nie ganz sicher, ich hatte diesen Lauf gewonnen!
Ich hatte ungewöhnlich Mühe, aufs Podest zu steigen…
Auf dem Podest waren die Aargauer sehr gut vertreten: Ueli Aeschlimann aus Gippingen, Urs Stöckli aus Rottenschwil, Franz Lacher aus Dietikon (LR Wohlen), sowie Silvia Pleuler und ich. Der bald 70-jährige Franz erzielte mit nur wenig über 4 Stunden eine Superzeit!
Alle Preisberechtigten erhielten feine „Müesli-Säcke“ und die Kategorien-Sieger wunderbare Funktionsjacken. Als Tagessiegerin erhielt ich noch ein Paar Turnschuhe. Auch für alle andern Teilnehmer gabs praktische und reichhaltige Geschenke,  wofür ich mich beim OK sehr herzlich bedanke (die Flasche Erholungsbad wird sicher bald gebraucht).

Fazit / Vergleich Nachtmarathon Biel – Nachtmarathon Zürich
Der Neujahrsmarathon wurde  mit viel Liebe und Enthusiasmus sehr gut organisiert. Jedoch ist es natürlich sehr schwierig, in einer solchen Nacht viele Läufer an den Start zu bringen (auch ich werde natürlich nicht jedes Silvester auf diese Weise verbringen…).
Für die Läufer selber brauchts grosse Konzentration, um nicht von der Strecke zu kommen (es war aber gut markiert, aber man ist vielfach allein und man läuft in der Natur) und man muss sich viel wieder motivieren. In Biel ists warm, man läuft kilometerweise durch „Festhütten“ und riesige Zuschauerspaliere (Biel, Aarberg, Lyss, weitere Dörfer) und man läuft immer mit andern Läufern, mit denen man plaudern kann. Alles in allem fand ich es viel einfacher, den Nachtmarathon von Biel zu laufen. Uebrigens lief ich in Biel und in Zürich exakt gleich schnell (3 h 25), wobei mich der Umweg in Dietikon gute 2 Minuten kostete…

Trotzdem, ich habe wieder etwas Spezielles gemacht und es hat mir sehr gefallen. Und nochmals trotzdem: mit ziemlicher Sicherheit werde ich am diesjährigen Silvester unseren Rotwein nicht nur anschauen, sondern auch trinken…

Auf diese Weise danke ich allen (Aargauer) Fans, welche uns in dieser Neujahrsnacht unterstützt haben, dem OK und allen Helfern für die Super-Organisation und auch meiner Familie, welche mich „gehen liess“.  MERCI VELLMOL.

Jacqueline Keller-Werder, „the Night-Runner“