Tagebuch "mein Weg zur
Langdistanz–Berglauf WM
2008 in England am 27. April" von Dani Bolt
Teil 1 Teil 2
Teil 3 Teil 4 Teil 5
Teil 6 Teil 7 Teil 8
Teil 9 Teil 10
Teil 11 Teil 12 Teil 13
Teil 14 Teil 15
Teil 15
Zuviel Arbeit und zu viel
Laufen hielt Dani vom Schreiben ab. Am Samstag, 26. April startet er
zur Longdistance Mountainrunning World Challenge 2008. Informationen und
Ranglisten findet man auf der
Website der Veranstaltung.
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Teil 14
Zurück in der
Schweiz
03.02.2008
Seit meiner Rückkehr aus
Marokko ist nun schon ein Monat vergangen. Die Hektik und der Stress der
Westlichen Welt haben mich schon nach drei Tagen eingeholt. Leider!! Ich
habe versucht einiges aus der Zeit in Marokko in meinen Trainingsalltag
einzubauen. Das grösste Problem ist jedoch die fehlende Zeit. Zur Zeit habe
ich neben der vielen beruflichen Aufgaben auch Privat noch viele Pendenzen
zu erledigen. Ich fühle mich immer etwas gestresst und kriege den Kopf kaum
mehr frei.
Das war wohl auch der Grund,
dass ich trotz optimaler Vorbereitung am Neujahrslauf ein eher
enttäuschendes Rennen gelaufen bin. Warum ich so viel Zeit auf meine
Kontrahenten verloren habe, konnte ich mir einfach nicht erklären. Alles
hatte gepasst und ich fühlte mich eigentlich gut. Der zweite Wettkampf im
2008 verlief dann doch um einiges positiver. Am
Reppischtallauf
in Stallikon konnte ich Beat Blättler und meinen Klubkollegen Beat Elmer,
den ich zuletzt in Richterswil anfangs September 07 bezwingen konnte,
überraschend im Finale schlagen. Ich musste zwischen durch sehr leiden,
konnte aber alle Tempoverschärfungen mitgehen. Der Schluss war dann mit dem
abwärts führenden Zwischenstück auf mich zugeschnitten, so konnte ich mich
knapp doch noch durchsetzen. Das gibt mir wieder etwas Elan zurück, und dies
insbesondere in Anbetracht, dass ich am Tage zuvor noch in Italien ein 120km
langes Radtraining absolvierte. Bei diesem war ich bereits nach 80km k.o.
und musste immer wieder mit Sprints mich an das Hinterrad meines Chefs
heranspurten.
Dieses Wochenende habe ich
gemütlich wieder einmal in meiner zweiten Heimat im Prättigau verbracht.
Neben den intensiven Snowboard-Abfahrten, die auch ein sehr gutes
Krafttraining abgeben, habe ich die letzten Pendenzen erledigt. So kann ich
mich wieder voll aufs Laufen und die Regeneration konzentrieren. Am nächsten
Samstag werde ich, schon wieder werdet ihr sagen, in ein wärmeres Gebiet
fliegen. Während zweier Wochen werde ich auf den Kanarischen Inseln
(Teneriffa, Gran Canaria und Fuertaventura) meine Langdistanz-Berglauf-
Grundkondition erarbeiten. Geplant sind deshalb einige längere Läufe in der
atemberaubenden Natur dieser Inseln. Die Landschaften werden mich
hoffentlich wieder beflügeln (wie schon mal vor ein paar Jahren mit Peter
Peter).
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Teil 13
Trainingslager in El Kelaa des Sraghna – Marokko
03.01.2008
So, mittlerweile bin ich wieder
auf dem Flughafen von Marrakesch angekommen und warte auf meinen Flug zurück
nach Basel. In aller Frühe musste ich heute schweren Herzens meine Freunde
in El Kelaa verlassen. Die zwei Wochen waren rückblickend sensationell und
haben tiefe Spuren bei mir hinterlassen. Die Verabschiedung morgens um 6:10
Uhr (selbst die Mutter von Aziz sowie Nsah erwachen kurz, um mich zu
verabschieden) am Taxistand von Ftah und Aziz war für mich sehr emotional,
ich wäre gerne länger geblieben. Die Tränen waren mir wirklich sehr nahe
gestanden. Doch wo ein Anfang ist, ist auch ein Ende, wenn auch Hoffnung für
eine Fortsetzung bzw. Wiedersehen besteht. So steige ich also mit fünf
weiteren Taxi-Gästen in das bereitstehende Sammeltaxi. Die Fahrt und
Weiterreise bis zum Flughafen verläuft ohne besondere Vorkommnisse. Ich kann
in aller Ruhe auf den Abflug warten.
Die letzten zwei Tage waren
nochmals sehr trainingsintensiv. Nach der einmal mehr sehr intensiven Lauf-
und Sprungschule stand wieder eine Serie 400er auf dem Programm. Erstmals
habe ich dabei meine Muskeln richtig leiden spüren und eine Müdigkeit vom
Trainingsprogramm verspürt. So musste ich stark kämpfen, die Fersen der
beiden Marokkanis halten zu können. Glücklich und zufrieden duschte ich ein
letztes Mal in der Sportanlage und nahm alle Schuhe wieder nach Hause. Den
Abend genoss ich mit Aziz und Ftah. Sie luden mich in ein Kaffee ein
ausserhalb der Stadt. Wir planten dabei eifrig den Aufenthalt im April in
der Schweiz. Alle freuen sich.
Ich werde viele Erinnerungen in
die Schweiz mitnehmen. Auch sonst werde ich einige Mitbringsel aus Marokko
mitnehmen. Doch keine Angst! Ich habe weder eine hübsche Frau noch Kamele
mit in die Schweiz genommen!!!!!!!!
Dafür trage ich mittlerweile
einen Vollbart!!!!! Doch dies hat zum Glück niemand gesehen, hätte mich wohl
auch keiner wieder erkannt. Zudem trage ich an der linken Hand ein Tatoo!
Nein, natürlich kein richtiges, sondern nur ein Henna. Eine nette, hübsche
Lady hat mir auf die Innenseite der Hand einen Schmetterling gezeichnet und
meinen Namen darüber geschrieben. Mehr zu dieser Lady verrate ich hier nicht
;-). Übrigens habe ich wieder das Wort Schmetterling in einer weiteren
Sprache gelernt: „Farascha“, so heisst der Schmetterling auf Arabisch.
Tja, das war's also. Mein
erster richtiger Aufenthalt in Afrika, Marokko, das Läuferland Nr. 3 der
Hitliste. Wie sich herausstellte die richtige Wahl. Denn Viktor Röthlin
hatte in Kenia grosses Pech und musste auf Grund der politischen Unruhen das
Land bereits nach einer Woche wieder verlassen. Er wäre wohl besser mit mir
nach Marokko gekommen ;-) !!!
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Teil 12
Trainingslager in El Kelaa des Sraghna – Marokko
01.01.2008
Bei strahlendem Sonnenschein,
aber noch kühlen Temperaturen absolvieren wir die 1000er Serien. Die Beine
sind immer noch super und ich habe erneut keine Probleme das Tempo
mitzugehen. Die Fortschritte sind enorm, die bestätigen auch die Zeiten und
Pulswerte.
Auch die Freundschaft zu den
drei marokkanischen Profiläufern und der Familie von Aziz wird immer
intensiver. Ich werde sie jetzt schon vermissen. Wir machen immer mehr
Spässe und sind eine verschworene Gemeinschaft geworden. Wir werden wohl
nicht zum letzten Mal zusammen trainieren. Als Zeichen der guten
Freundschaft und Dank dass er mir als Gastgeber dienen darf (natürlich gegen
Bezahlung meinerseits) schenkte mir Aziz heute eine Halskette. Sie ist ein
marokkanischer Glücksbringer für die Läufer. Und er soll natürlich auch mir
bei den Wettkämpfen viel Glück bringen und die harten Trainings in El Kelaa
in Erinnerung rufen!
Am Nachmittag stehen für
Abersac, Ftah und mich Polnische Fahrtspiele auf dem Programm. Schon wieder
kann ich locker und dynamisch laufen, das macht doch richtig Spass! Auf
einem leicht bergabführenden 2min Teilstück kann ich mich eindrücklich von
den beiden Profis absetzen, mein Selbstvertrauen steigt ins Himmlische! Wow!
Abends ziehen wir uns in der
Wohnung zurück und schauen wie so oft TV zur Entspannung. Im ca. 25m2
grossen Hauptraum sind zwei kleine Tische aufgestellt. An diesen wird
gegessen. Meist sitzen die Männer an einem und die Frauen und jüngeren
Familienmitglieder am anderen Tisch. Rundherum sind Sofas aufgestellt. Auf
diesen sitzen wir. Sie dienen gleichzeitig auch als Bett. Sie sind nur ca.
60cm breit. In Wolldecken eingehüllt schläft man darauf, so ja auch ich. In
einer Ecke befindet sich ein Teppich, diese werden wie schon erwähnt niemals
mit Schuhen betreten. Auch Gäste ziehen die Schuhe immer aus. Im gleichen
Raum wird auch das Essen zubereitet, gekocht, gegrillt und TV geschaut.
Fenster existieren im Haus keine. Sonnenlicht kommt nur von oben, da alle
Räume in der Mitte offen sind und auf dem Dach nur mit einer Plastikplache
überspannt, um zu verhindern dass Regen ins Haus tropft. Die Räume sind so
allgemein sehr dunkel. Um an die Sonne zu gehen, spaziert man entweder ins
Dorf, um einzukaufen oder Freunde zu treffen, Kaffe trinken gehen, oder man
begibt sich aufs Dach und geniesst da die Sonne. Auf dem Dach wird das
Fleisch getrocknet oder auch die Wäsche zum Trocknen aufgehängt.
Im Wohnraum und manchmal auch
gebetet. Die sehr gläubigen Islam-Anhänger beten mehrmals am Tag, ihr Gott
ist Allah. Meist wird jedoch im Nebenraum gebetet, auch mal im Freien (Abersac
hatte meistens einen Teppich aus dem Sportcenter genommen, und vor dem
Training das Gebet vollzogen). Gebetet wird frühmorgens, vor dem Essen, vor
dem Training etc.
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Teil 11
Trainingslager in El Kelaa des Sraghna – Marokko
31.12.2007
Heute ist so was wie ein
Ruhetag. Am Morgen gemütliches Footing à 30min und am Nachmittag ein
Dauerlauf à 1h 15min zu fünft in lockerem Tempo. Die Pulswerte sehr tief und
die Beine locker, das zweiwöchige Trainingslager in Marokko bringt mich ein
grosses Stück vorwärts.
Im Internet – Café haben wir
ein paar Fotos von mir auf CD gebrannt und im Fotogeschäft ausdrucken
lassen. Was Aziz damit wollte, wusste ich erst noch nicht. Jetzt schon. Zwei
Fotos von der erfolgreichen WM 2005 hängen nun im Sportcenter direkt neben
Fotos von El Guerouj und neben Haderabdelmouaziz (Marathon Starläufer). Was
für eine Ehre, dies zeigt, dass die Marokkaner meine Leistungen sehr
würdigen und mich längst als starken Trainingspartner anerkannt haben. Wir
planen auch schon weitere Grosstaten und ev. ein Trainingslager im 2009 in
Ifraim zu dritt, mit dem Ziel vielleicht mal einen Marathon unter 2:15
Stunden zu laufen.
Zudem wird mir Aziz weitere
Trainingspläne faxen. Ich werde als Gegenleistung Manager von Aziz und Ftah.
Im April werden die Beiden nach Zürich kommen, sofern alles klappt, und den
Züri-Marathon mit grossen Ambitionen bestreiten. Dies ist ihre grosse Chance
und ihr Traum: einmal in Europa laufen zu können, insbesondere die
italienischen Läufe reizen sie sehr. Diesen Traum werde ich versuchen ihnen
zu erfüllen. Ich werde zusammen mit Samira eine Einladung zu organisieren
und die beiden Athleten in der Schweiz betreuen und beherbergen.
Am Abend waren wir bei Samiras
Schwester zum Spaghettiessen eingeladen: es ist ja heut Silvester! Aziz hat
sich dazu in Schale geworfen und ist kaum wieder zu erkennen. Ftah und ich
spötteln ein bisschen und amüsieren uns. Beim Essen kommen Aziz und ich kaum
mehr aus dem Lachen heraus: Ftah versucht mit Löffel und Gabel die Spaghetti
in den Mund zu bekommen. Doch er findet einfach nicht den richtigen Dreh und
wir können uns vor Lachen kaum halten. Irgendwann gibt er es dann doch auf
und spart die Kräfte fürs Dessert. Mein Bauch war mittlerweile kugelrund und
ich musste aufs Dessert verzichten. Das gab den anderen Zwei die Möglichkeit
sich über mich lustig zu machen. Ich hatte eindeutig zu viel gegessen. Den
Jahreswechsel verbringen wir schlafend in unseren Betten, da am Dienstag ein
sehr hartes Trainingsprogramm ansteht. Bereits um 8:30 Uhr sind 6x1000m
geplant auf der Sandbahn und dies in 3:07 bis 3:16 min, mit sehr kurzen
Pausen.
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Teil 10
Trainingslager in El Kelaa des Sraghna – Marokko
30.12.2007
In aller Frühe, es ist noch
dunkel, marschieren wir wie gewöhnlich unsere 40min ins Sportstadion. Mit
den ersten Sonnenstrahlen geht’s um 7:15 Uhr auf eine lockere 30min
Footing-Strecke. Die Tageszeit drückt auch auf unsere Stimmung: es ist
ungewöhnlich still. Alles wirkt noch sehr verschlafen.
Zwischen den Trainings gehen
wir zu dritt in die Stadt auf Einkaufstour. Supermärkte wie Migros oder Coop
gibt’s hier nicht. Frischwaren werden an zahlreichen Ständen frisch von den
Bauern angeboten: Tomaten, Gurken, Mandarinen, Äpfel, Bananen, Kartoffeln,
Salat, viele Kräuter, Zwiebeln, Auberginen, Zitronen etc. Weitere
Lebensmittel werden in zahlreichen kleinen Ladentheken angeboten, meist
wiederholt sich das Angebotene von Stand zu Stand. Für weitere Bedürfnisse
gibt es eine Unzahl kleiner Spezialgeschäfte. Die Preise werden angefragt,
verglichen und verhandelt. Die Mandarinen etc. werden in Plastikkübeln vom
Käufer ausgelesen und vom Händler mit einer einfachen Waage mit
Gewichtssteinen gewogen. Gekauft wird in ganzen Kilos. Jeden Tag sind die
Gassen mit Leuten voll, ein emsiges Treiben herrscht, der Männeranteil der
Kaufenden ist etwa gleich wie der Frauenanteil.
Allgemein werden in den
Strassen vorwiegend Männer angetroffen. Die Frauen sind im Haushalt
beschäftigt oder treffen sich in den Häusern und unterhalten sich da,
während die Männer sich mehr in den Strassenecken antreffen und diskutieren.
Nachmittags, bei sehr
angenehmen Temperaturen, ist ein 60-65 minütiger Dauerlauf angesagt. Aziz
empfiehlt mir den Fotoapparat und die Bauchtasche mitzunehmen. Ok, gesagt ->
getan. Doch er ändert kurzfristig das Programm. Oder war alles extra doch so
geplant? Nach ca. 15’ Dauerlauf wird das Tempo immer schneller. Ftah muss
mal kurz pinkeln und lässt sich zurück fallen. Jetzt gibt Aziz Vollgas. Ich
bin etwas überrascht und verliere kurz den Anschluss, kann aber wieder
aufschliessen. Aziz fordert mich auf, an seinen Fersen dran zu bleiben und
versucht mich wieder anzupeitschen und zu motivieren, noch schneller zu
laufen. Eigentlich müsste ich aber auch dringend hinter die Büsche bzw.
Kakteen. Doch nix da. Zudem stört mich die Bauchtasche zunehmendes. Ich
beginne Aziz innerlich zu verfluchen. Nach dem Lauf gebe ich ihm dies auch
zur Kenntnis. Er meint ich sei sehr stark gelaufen, doch mit den Ärgernissen
konnte ich den Tempolauf nicht richtig auskosten und meine Rhythmus umsetzen
und Vollgas geben. Ich schwöre Revanche. Nach den Angaben muss Aziz sind wir
im Gelände während ca. 7km ein Tempo von 3:09 min/km gelaufen. Was wäre wohl
gewesen, wenn ich richtig laufen hätte können und auch der Kopf bereit
gewesen wäre? Ich freue mich schon riesig auf den Start am ZLC-Neujahrslauf
in Dietikon.
Hier in Marokko habe ich, so
glaube ich, einen grossen Leistungssprung gemacht und viel Selbstvertrauen
getankt!
Bei Kaffee und Pfirsichsaft
lerne ich wieder einige Wörter arabisch (keifa haeluk, oumi, abi, achi,
becher, asalamaleikum, ohaebuqui, habibaedi…… oder wie man es wohl schreibt?
Keine Ahnung!).
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Teil 9
Trainingslager in El Kelaa des Sraghna – Marokko
29.12.2007
Seit dem 26. Dezember ist jetzt
strahlender Sonnenschein den ganzen Tag hindurch. Auch die Temperaturen in
den Nachmittagsstunden knapp über 20° C. Gestern und heute bin ich im
Training um 14:30 Uhr in Shorts und Trägerleibchen im Training unterwegs.
Gestern Mittag bin ich vor dem
Training noch mit Abersac auf Schmetterlingsjagd gewesen. Obwohl er kein
Wort französisch kann, hatten wir es ganz lustig und lernte schnell
Schmetterlinge aufzufinden und zwischen den Felsenspalten Psychiden-Säcke
(zu Deutsch „Sackträger“) aufzuspüren. Wir beobachteten sechs
Tagfalterarten: Pieris rapae (3 Stück), Euchloe belemia (15), Euchloe
charlonia (10), Azanus jasius (7), Lampides boeticus (1) und Vanessa cardui
(5). Auch Apterona-Säcke und diverse Oiketicinae-Säcke in allen Grössen
haben wir entdeckt. Auf einem Felsen finde ich noch eine frische
Schlangenhaut, ein Mauergecko verschwindet rasant hinter einem weiteren
Felsen.
Nachmittags laufen Abersac,
Ftah und ich einen 1h 30min langen Dauerlauf, erst flach über Felder
querfeldein und dann durchs steinige Gebirge rauf und runter. Der Lauf wird
zu einem kräftezehrenden Crosslauf der grosses Geschick, Kondition und
Konzentration benötigt. Die Landschaft ist dafür einmalig und menschenleer,
geprägt von steppenartigen, kargen Halbwüsten mit vielen Steinen und
Kakteen. Das Gesamtbild ist aber vergleichbar mit hochalpinen
Gebirgslandschaften. Tiere sind kaum zu sehen. Nur ein paar Schafe weiden
einsam. An Vögeln sind zu sehen: Weissstörche, Kuhreiher, Haubenlerchen und
einige Tauben. Auch hier ist aber Winterzeit und desshalb sehr wenig zu
sehen. Die Nächte können ganz schön kühl werden.
Abends massiert Ftah
netterweise Aziz und mich. Meine Beine sind immer noch sehr gut und voller
Power. Auch der Ruhepuls so tief wie ich ihn nur vor der erfolgreichen WM
2005 und im Höhentrainingslager in Muottas Muragl gemessen hatte: 38.
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Teil 8
Trainingslager in El Kelaa des Sraghna – Marokko
26.12.2007
Heute lerne ich ein mir in
Marokko neues Wetter kennen. Bei Nebel und „frostigen“ Temperaturen laufen
wir nun bereits zu fünft durch von Ackerkulturen geprägte Landschaft auf der
Nordseite der Stadt. Die Trainings haben meist eine exakte Dauer und dann
wird prompt gestoppt. Tagsüber geniesse ich das marokkanische Leben:
leckeres Essen, viel Kaffe und Tee und interessante Gespräche mit Ftah, Aziz,
Freunden, Nsah und Co.
Nachmittags dann hartes
Training auf der Bahn mit 5 x 1000m und 5 x 600m sowie das übliche
„Rahmenprogramm“. Abersac und Ftah spielen meine Tempomacher. Jeweils die
letzten 200m wird dann leicht gesprintet. Ich habe heute erneut keine
Probleme das Tempo mitzugehen. In den letzten Intervallen sprinte ich
jeweils sogar davon. Ich sprühe nur so vor positiver Energie. Meine beiden
Freunde sind etwas beeindruckt. Mit harter Arbeit und Höhentrainingslager
müssten für mich grossartige Zeiten möglich sein. Nur mein Problem ist, dass
ich in der Schweiz den Kopf nicht frei kriege. In den Bereichen Stabilität,
Abstosskraft und Bauchmuskulatur habe ich jedoch noch einiges aufzuarbeiten,
sowie sehr viel hartes / intensives Training. Heute gehen wir auf dem
Heimweg wieder einmal an der Bäckerei vorbei. Mit einem grossen, gefüllten
Sack verlassen wir auch heute wieder den Laden und begeben uns auf den Weg
zur Wohnung von Samira’s Schwester.
Hygiene:
Die Hygiene wird hier etwas
vernachlässigt. Eine Dusche existiert nur im Sportcenter, mit Warmwasser.
Die Region ist jedoch auch sehr wasserarm. Bei Aziz zu Hause wird mit einem
Waschlappen und Warmwasser aus der Teekanne sich gereinigt. Geduscht und
sich gereinigt wird über der Toilette. Um sein Geschäft zu entrichten steht
man auf zwei Sockeln und kniet sich tief. So hurend, erledigt man seine
Bedürfnisse über einem Loch. Der Ablauf verstopft sehr schnell. Bei
Verstopfungen wie auch um sich den Po zu reinigen wird die Hand benutzt.
Klopapier gibt es zwar zu kaufen, wird aber nicht benutzt. Für die Spülung
und zum Abwaschen füllt man einen Kessel mit Wasser, wäscht sich die Hände,
und giesst das Wasser kräftig in den Ablauf. Das Fallrohr ist immerhin
syphoniert, das heisst dass die Kanalisation nicht bis ins Haus stinkt,
immerhin soweit ist die Liegenschaftsentwässerung. Für die Körperreinigung
geht man regelmässig zum Hamem, dem türkischen Dampfbad. Gegessen wird meist
mit der Hand. Die fettigen Hände werden mit einem Handtuch abgerieben.
Dieses benutzt die ganze Familie, auch um sich das Gesicht zu putzen.
Waschen:
Waschmaschinen für die
Reinigung der Kleider existieren praktisch in jedem Haushalt in der Stadt.
Getrocknet werden sie auf dem Hausdach oder in den oberen Räumen. Im Haus
bleibt es aber kühl und trocknet kaum. Die Leute haben sehr wenige Kleider.
Aziz trägt seinen Trainingsanzug teilweise für das Training aber auch in der
Freizeit. Kleider werden in der Familie auch mal von mehreren Personen
getragen. Wie bei allem, wird auch hier brüderlich geteilt. Der Boden ist
meist nicht sehr säuberlich, dies hat mit der Lebensgewohnheit zu tun. Auch
beim Essen ist es ganz normal, dass mal was auf den Boden fällt, dies wird
nicht beachtet. Der Boden wird regelmässig von den Frauen des Haushaltes
gesäubert und feucht aufgenommen. Auch ein richtiges Badezimmer fehlt, keine
Spiegel aufgehängt. Körperhygieneartikel sind im Haushalt nur wenige
anzutreffen.
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Teil 7
Trainingslager in El Kelaa des Sraghna – Marokko
25.12.2007
Nach dem gemeinsamen 30’
Dauerlauf machte ich heute noch eine 16’ Ehrenrunde alleine. Mittlerweile
kenne ich die Umgebung und das Wegnetz bereits bestens. Ab heute beginnt
auch das für mich massgeschneiderte Trainingsprogramm. Im Stadion zurück
absolvierte ich nach einigen Stretchübungen und Allongements noch ein
Bauchkräftigungsprogramm. Wie jeden Tag nach dem Training ein 40 minütiger
Fussmarsch zurück, das ist die Basis für unser hartes Training.
Anschliessend Frühstück mit Fladenbrot und Olivenöl.
Am Nachmittag laufen wir ca.
25’ locker ein. Dann steht zum zweiten Mal „marokkanische Laufschule“ auf
dem Programm. Hoffentlich gibt das nicht wieder diesen unerträglichen
Muskelkater wie beim ersten Mal. Das Training ist hart und scheint nicht zu
enden. Die Übungen werden wiederholt bis zum Umfallen. Das reine
Laufschulprogramm dauert 55 min. Das Training soll den Laufschritt kräftigen
und die Schrittlänge verlängern. Zusammen mit Abersac gibt’s nach ein paar
Allongements noch 3 x 400m auf der Bahn, dies in 72 bis 69’’. Meine Beine
sind schwer aber ich habe den Rhythmus schnell und kann Abersac beim letzten
leicht distanzieren. Aziz ist mit meinem Trainingsfleiss und der Qualität
sehr zu frieden. Mittlerweile ist auch noch „Ftah“, mein zweiter
Trainingspartner eingetroffen. Er musste erst seine Verletzung ein paar Tage
auskurieren, die er bei einem Crosslauf in Marrakesch zugezogen hatte. Bei
diesem bekannten Lauf (an dem auch schon El Guerrouj und Bekele teilgenommen
haben) wurde er guter 5ter.
Heute sind wir viel zu
Hause und erholen uns. Für einmal wird am TV nicht gezappt und wir schauen
uns den Klassiker „Congo“ an. Dabei kann ich Ftah etwas besser kennen
lernen.
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Teil 6
Trainingslager in El Kelaa des Sraghna – Marokko
24.12.2007
Zu viert laufen wir heute in
einer neuen Gegend herum, nördlich der Stadt. Entlang von Wasserkanälen und
bewirtschafteten Feldern und entlang von ansatzweise zu erkennendem Wald. Es
wachsen sehr viele Oliven- und Eukalyptusbäume da. Daneben immer wieder
Kakteen und dornige Trockengebüsche.
Nach typischem Frühstück mit
Kaffee und Fladenbrot getränkt in Olivenöl, besuchen wir mittags den
örtlichen Polizeiposten. Als einziger „Weisser“ und nicht in einem Hotel
untergebracht falle ich etwas auf. Um Ärger zu vermeiden wünscht Aziz
desshalb, dass ich mich im Polizeiposten offiziell registrieren lasse, auch
dass ich bei Aziz untergebracht bin melden wir, als Freund von anderen
Wettkämpfen und Trainingspartner. So können wir sämtliche unnötigen
Diskussionen im Voraus beilegen. Anschliessend gehen wir wieder gemütlich
ins Gartenkaffee bei schönstem Sonnenschein.
Auf dem Mittagstisch steht
heute: Gedämpfte Kartoffeln, mit Oliven und Brot, dazu Gurkensalat an
Mandarinensauce und zum Dessert frische Äpfel und Mandarinen.
Das zweite Training absolvieren
wir standardmässig ab der Sportanlage. Samira hat mit Magenproblemen zu
kämpfen und muss viel leiden. Mein Magen scheint jegliches Unkraut verdauen
zu können, ich habe nicht die geringsten Verdauungsprobleme. Ich habe sogar
schon Hahnenwasser getrunken, welches man als Europäer hier auf keinen Fall
tun sollte! Da wir es nicht gewohnt sind. Meine Verdauung und auch der
Stuhlgang bleiben normal. Das ist gut so, dann kann ich anständig
trainieren!! Nach dem Einlaufen gehen wir auf den Bergpanoramaweg. Da
absolvieren wir erst mal ein paar Allongements zum Aufwärmen, dann gibt es
Intervalle: 15 x 1min mit kurzen Trabpausen. Abersac und ich laufen sehr
zügig, meine Beine fühlen sich toll an, ich kann Abersac problemlos halten.
Wir duellieren uns richtig, ist einer mal schneller als der Andere, büsst
man dies beim folgenden! Ich habe ein gutes Laufgefühl, toller Rhythmus, so
macht’s Spass, Kopf frei und nur noch „Gring abe und seckle….“. Beim
Auslaufen finde ich an einem Felsen einen Apterona spec. Sack (für alle
nicht Lepidopterologen: dies ist ein Schmetterling, der in einem Säcklein
lebt und sich auch dort verpuppt, in der Schweiz gibt es von dieser Familie
ca. 58 Arten).
Heute reden wir wieder mal über
das mir leide Thema Geld. Noch immer bestehen gewisse Missverständnisse und
Ansichtsdifferenzen bezüglich Abgeltung verschiedener Dienstleistungen, die
wir ein für allemal zu bereinigen versuchen. Aziz wird mir nun einen
Trainingsplan für das Training in Marokko gestalten. Mit dem Tagesgeld das
ich bezahle, wird nun auch noch ein Freund von Aziz aus einem Nachbarort
anreisen. Er soll mich in den Trainings noch etwas mehr fordern und die
Trainingsgruppe verstärken. Er wird das Programm von Aziz umsetzen
versuchen. Nachdem dies alles geklärt wurde, können wir uns endlich wieder
unsere „Freundschaft“ in den Vordergrund stellen und uns aufs Laufen
konzentrieren. Das Trainingsprogramm wird hart, bin ja gespannt. Drei Jahre
solches Training und ich sollte 2h 10min laufen können, meint Aziz!
Das Laufen hier in Marokko
könnte für mich zu einer neuen Dimension aufsteigen. Im Laufland Nr. 3,
hinter Kenia und Äthiopien, baue ich einen neuen Bezug zum Laufen auf. Ich
werde versuchen das Training auch später in der Schweiz so umzubauen. Dies
sollte mir die Chance bringen, ganz an die Weltspitze im
Langdistanz-Berglauf zu laufen und zudem auch Strassenmarathon unter 2h
20min zu laufen. Ich lerne viel über den eigentlichen Spitzensport und die
Basis für eine erfolgreiche Zukunft.
Zum Weihnachtsfest lade ich
anschliessend alle ein. Wir gehen also wieder in der Bäckerei vorbei und
kommen mit noch grösseren Tüten als letztes Mal heraus. Diese lassen wir uns
wieder bei Samiras Schwester und Kaffee schmecken. Ach wie gemütlich. Aziz
hat Abersac ein paar von meinen Kleidern, die ich in der Schweiz übrig und
mitgebracht hatte, gegeben. Er hat viel Freude daran. Er trug im Training
gleich das Short und das Shirt getragen und mir gedankt. Er bleibt aber wie
immer sehr ruhig und wortkarg. Wir unterhalten uns im Training
ausschliesslich mit Gestik, denn Abersac spricht kein einziges Wort
französisch.
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Teil 5
Trainingslager in El Kelaa des Sraghna – Marokko
23.12.2007
Heute stehe ich erst um 10 Uhr
auf, hatte ich doch wunderbar geträumt. Schon werde ich gerufen. Frühstück?
Ja! Es gibt Fladenbrot, eine Art Omeletten und Grillspiesse mit Leber. Dazu
noch Kaffee uns Biskuits (de Maroc, selbst gemacht). Nach wie vor leide ich
etwas an der Grippe, wohl am Silvesterlauf eingefangen, und auch den
Muskelkater vom letzten Donnerstag spüre ich noch immer!
Mein Zimmer:
Zweieinhalb Seiten sind mit den
schon beschriebenen Bänken belegt. Auf der ich schlafe, sitze und auch als
Massageliege dient. Im Zimmer befindet sich wie im Wohnraum ein grosser
Teppich. Die Schuhe, Sandalen etc. werden immer vor Betreten des Teppichs
ausgezogen. In meinem Raum ist auch ein kleiner TV, dies aber Luxus. Ich
schaue aber nie TV in meinem Zimmer. Das Zimmer gehört normalerweise Aziz.
Für meinen Besuch hat er es jedoch zur Verfügung gestellt. Es hängen einige
Bilder von Läufern (z.B. auch Lahcen Ahansal, von Davos bekannt) und
Marathon - Laufteilnahmen von Aziz. Er zeigt mir auch ein Fotoalbum. Zu
sehen ist auch Aziz an der Seite von Stefano Baldini und einem Kenianer. Wie
ich später erfuhr war es aber doch nur eine Fotomontage ;-). Stolz
präsentiert er auch Fotos von einem Halbmarathon auf Malta, sein bisher
einziger Lauf ausserhalb von Marokko. Auch Haile Gebresielassie ist auf
einem Foto zu sehen.
Nachmittags gehen wir zusammen
mit Abersac zu viert zum Sportplatz. Nach dem Einlaufen stehen Hügelläufe
auf dem Programm. Wir laufen (zwei und zwei) intensiv bergauf auf die
umliegenden Hügel querfeldein und jeweils locker wieder runter, immer in
eine andere Richtung. Ich fühle mich sehr wohl im Gelände und fordere meinen
Trainingspartner immer wieder ein bisschen heraus. Auch Aziz staunt über
meine „Geländetauglichkeit“ und meint ich solle meinen Übermut etwas zügeln.
Darauf erklärte ich, dass das bei mir normal ist. Ich habe einen sehr
kräftigen athletischen Körper, aber ich müsse härter trainieren, meint Aziz.
Bergab laufen alle etwas vorsichtig, man könne sonst den Fuss verdrehen. Das
hält mich jedoch nicht auf, bei mir gilt: „je schneller desto sicherer!“.
Ich klärte ihn dann auf, dass ich in der Schweiz als Spezialist für das
Bergablaufen gelte und solche Läufe liebe. Da kann ich bergab selbst mit
Weltklasseläufern mithalten, bestimmt! Schwieriges Gelände mit vielen
technischen Passagen motivieren mich erst richtig!
Meine Beine sind von Tag zu Tag
besser, auch die Gesundheit macht Fortschritte. Während alle in langen
Tights laufen, laufe ich nachmittags immer in den kurzen Shorts. Aber
schliesslich habe ich auch andere Relationen zu den Temperaturen als
Marokkaner. Für mich als Schweizer sind die nachmittags angenehmen
Temperaturen von 18 – 20° Grad schon warm, meine Trainingspartner sind
jedoch ein anderes Klima gewohnt.
Abends bleibe ich zu Hause in
der Familie, mit Fatma, Nsah, Ohmah und Arif. Wir machen
Französisch-Italienisch-Deutsch-Arabisch-Sprachkurs. Dies ist für alle sehr
amüsant. Ich glaube, dass mich die Familie von Aziz bereits lieb gewonnen
hat. Ab und zu kommen Freunde der Familie vorbei und es wird geplaudert.
Auch ich gehöre zu Ihrem Gesprächsstoff, so deute ich zumindest ihr
Schmunzeln und die Blicke. Gerade bei weiblichen Besuchen, ist dies einfach
zu erklären: fast alle Marokkaner träumen von einem besseren Leben in
Europa, das weniger Probleme beinhalten soll (da täuschen sie sich jedoch).
Und da ist man schnell beim Thema heiraten. Doch keine Angst! Ich bin nach
wie vor als Single in die Schweiz zurück gekehrt, ohne Frauen und Kamele ;-)
!
Hier in Marokko gibt es sehr
wenig zu arbeiten und der Lohn ist sehr schlecht. Das Leben kostet aber doch
einiges. So sind sehr viele Leute arm und leben sehr bescheiden. Auch in der
Gegend wo ich wohne sind die Leute nicht wirklich wohlhabend. Auch Arif, der
Cousin, hat es schon probiert nach Europa zu gelangen. Er hat mir über diese
Versuche einige Erlebnisse und Begegnungen mit der Polizei lebhaftig
geschildert. Bereits bei der Anfahrt mit dem Taxi nach El Kelaa, hatte der
Fahrer dieses Thema aufgegriffen. Der Traum von Europa und einem besseren
Leben ist riesig! Hier in Marokko ist man ein Niemand und wird von anderen
Ländern kaum wahrgenommen. Zwei Halbbrüder von Arif leben mit seiner Mutter
in Italien, sein Neid ist ungebrochen. Ihnen geht es offensichtlich sehr gut
und der 11-jährige Sohn ist ein grosses Fussballtalent. Die hier Gebliebenen
müssen sich mit „Marokko“ zufrieden geben, so die Worte von Arif. So ist das
Sprachbuch Italienisch-Arabisch schon fast die zweite Bibel! Das fehlende
Geld kann verheerende Folgen haben. So wurde Arif mal von einem Auto beim
Velofahren angefahren. Da er kein Geld hat, konnte er nicht operiert werden
und leidet heute noch an den Folgen, das bringt ihn und Freunde immer wieder
in Rage. Alles ist sehr einfach und nicht mit unserem westlichen Lebensstil
zu vergleichen. Aber doch: das „Handy“ gehört schon zum Alltag, fast jeder
hat Eines. Ich habe zwar Geld und lebe in Europa, ob mich das glücklicher
macht, als es die Marokkaner sind, bleibe offen. Geld bringt auch viel
Stress und Hektik mit.
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Teil 4
Trainingslager in El Kelaa des Sraghna – Marokko
22.12.2007
Wieder zu Fuss, heute 40 min
später, geht’s gleich als erstes zum Training. Vom Center laufen wir heute
zu dritt ins Flachland. Entlang von Feldern und Bauernbetrieben. Die Wege
sind breit und angenehm zu laufen. Ich fühle immer wohler in den Trainings.
Auch die Grippe, die ich in der Schweiz noch aufgefangen hatte, wird von Tag
zu Tag etwas besser. Noch sind die Trainings aber mehrheitlich mit tiefem
Puls zu laufen. Es gefällt mir hier und beim laufen in dieser neuen Umgebung
fühle ich mich ein bisschen wie ein Kenianer bzw. Marokkaner. Ein herrliches
Laufgefühl, da weiss ich wieder mal wieso ich ein Läufer bin.
Der Dauerlauf dauert ca. 55
min, anschliessend wie fast immer viel Stretching und Bauchmuskelübungen,
dazu noch en paar Allongements. Auf dem Heimweg gehen wir noch gemütlich in
einem Gartenrestaurant einen Kaffee trinken und erholen uns vom Training.
Dies passiert heute bei schönstem Sonnenschein. Dieser würde uns bis zu
meiner Abreise noch begleiten. Unterwegs kaufe ich noch zwei Kilo
Mandarinen, ein wichtiger Vitaminlieferant.
Zwischen den Trainings, in den
freien Stunden, begleite ich Aziz in die Stadt. Mit seinen besten Freunden
ziehen wir um die Häuserecken und plaudern mit allen möglichen Leuten.
Überall geht es sehr amüsant zu und her, es wird viel gelacht und
diskutiert. Hier und da kann ich auch mit Leuten ein paar Worte auf
Französisch austauschen. Dann treten wir in ein Haus ein. Auf dem Dach
werden wir schon willkommen geheissen. Hier wohnt der Bruder eines Freundes
von Aziz. Er ist gerade fleissig am grillieren. Im Wohnraum sitzt eine
Gruppe Militaristen unter der Aufsicht eines Leutnants, und geniesst die
Grillspiesschen, offensichtlich auch Bekannte. Gastfreundschaft und
Gruppenzugehörigkeit wird hier extrem grossgeschrieben und gepflegt. Man
muss alles Essen teilen und jedem Gast etwas anbieten. Wird gegessen, dann
sind alle Anwesenden herzlich eingeladen, alles wird geteilt. So essen auch
wir grilliertes Fleisch, Salat und Fladenbrot. Auch die Frau, Sohn und die
Tochter des Gastgebers essen mit uns. Mit der Zeit lerne ich jetzt auch wer
mit wem bekannt und verwandt ist.
Nachmittags gehen wir wieder
laufen, heute kommt noch ein weiterer Läufer zu uns, er läuft den
Halbmarathon in 1h 10min. Abersac wird auch in den kommenden Tagen sehr oft
mit uns trainieren. Nach einem 27’ einlaufen, stehen 5 x 400m und 3 x 200m
in moderatem Tempo auf dem Programm. Die Serien laufen wir auf der 400m Bahn
von El Kelaa, sie ist durch den feinen Sandbelag (wie ich es von Fotos aus
Kenia kenne) jedoch nicht ganz so schnell wie zu Hause in Meilen. Aziz und
Samira trainieren zusammen, ich trainiere mit Abersac. So an der Seite eines
schnellen Marokkaners mithalten zu können, ist ein tolles Gefühl. Ich
versuche meinen Laufstil nach dem Vorbild von Aziz etwas zu korrigieren. Das
Laufgefühl stimmt aber und ich habe das Gefühl vorwärts zu kommen! Ich bin
überzeugt her in Marokko viel zu lernen um mich wesentlich verbessern zu
können. Ich lerne hier eine Beziehung zum Laufsport aufzubauen. Aziz meint
mit wenig Arbeit und mehr intensiven Trainings müsste ich in wenigen Wochen
meine Muskeln soweit formen können, dass ich den Halbmarathon in 1:08 Std
laufen kann!
In strömendem Regen (das war
aber bereits das letzte Mal) laufen wir zurück. Der Regen dauert jedoch nur
kurz. Auf dem Heimweg besuchen wir noch eine Bäckerei. Dick beladen
verlassen wir diesen mit einem Verlust von ca. 6 sFr. Dafür haben wir aber
mehr als ein Dutzend feine Gebäcke, Schoggibrötli etc. in unseren Tüten. Bei
Kaffee geniessen wir die leckeren Sachen in aller Ruhe bei der Schwester von
Samira. Auch ein Sohn und der Mann der Schwester sind anwesend.
Nach dem Nachtessen kommen die
Freunde von Aziz vorbei. Nach Gulaschsuppe und Kaffee gehen wir alle
zusammen (Aziz, Tarique, Said, Jamal und Ich) in ein türkisches Dampfbad,
das genannte „Hamem“ um uns zu erholen und unsere Körper zu reinigen. Es
wird viel gelacht und ich bin längst auch als ein Freund akzeptiert. Auch in
der Familie von Aziz kann ich mich gut verständigen (mit Zeichen und Gestik)
und auch mal mit ein paar Spässen die Familie unterhalten. An diesem Abend
wir es gegen 12 Uhr bis ich mich in den Schlafsack zurück ziehe. Morgen darf
ich ja ausschlafen.
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Teil 3
Trainingslager in El Kelaa des Sraghna – Marokko
vom 20. Dezember 2007 bis 3.
Januar 2008
21.12.2007
Auf dem typischen
marokkanischen Bett mit Schweizer Schlafsack konnte ich sehr gut schlafen
und habe wunderbar geträumt. Tagwache war um 6.15 Uhr, geweckt von Aziz.
Noch im Halbschlaf ziehe ich den Trainingsanzug über und zu Fuss geht es
wieder zu Samira. Gemeinsam laufen wir wie tags zuvor zum Sportcenter. Alle
Trainings, bis auf einzelne Ausnahmen, haben Start und Ziel bei der
Sportanlage. Jedes Mal nehmen wir zum Sportcenter, das ausserhalb der Stadt
liegt, einen anderen Weg. Das glaubte ich zumindest. Ich habe jedoch das
Gefühl wir machen jedes Mal einen grösseren Bogen um das Stadtzentrum und
wählen nicht den direktesten Weg. Immer wieder rechts, dann links. Ein paar
Hauptstrassen erkenne ich mittlerweile, aber die Orientierung finde ich noch
nicht. Für mich sieht alles gleich aus.
Bis wir im Sportcenter sind ist
es 7.15 Uhr. Wir marschieren fast mehr Zeit als wir schliesslich trainieren.
Auf dem Programm steht ein gemütlicher Dauerlauf à exakt 30 min.
Anschliessend wird gestretcht, ein paar Laufschulübungen und lockere
Sprints, so genannte „Allongements“. Anschliessend marschierend wieder nach
Hause.
Heute ist viel los in der
Stadt: Das „Fête des Moutons“ (Fest der Schafe) ist in vollem Gange. Gestern
waren schon überall Schafe zu sehen und gehandelt worden. Diese werden heute
geköpft und in den nächsten Tagen als Hauptnahrung gespiesen. Praktisch jede
Familie kauft sich so ein Schaf. Bei unserer Rückkehr ist gerade das Gebet
fertig. Die Predigten sind in der ganzen via Lautsprecher hörbar. Die ganze
Stadt ist heute zu Fuss unterwegs. Die meisten tragen den in dieser Region
typischen langen Anzug mit Zipfelkaputzen. Als Schuhe werden eine Art Zockel
mit spitzauslaufendem Vorderende getragen. Da die meisten Kleider dunkle
Anzüge tragen, sieht es für mich so aus, als ob ich mitten im Ku-Klux-Klan
Hauptquartier gelandet wäre. Doch diese Kleidung ist sehr traditionell. Er
wird sowohl von den Männern wie auch von den Frauen getragen. Da wir zu
dritt im Sportanzug marschieren, richten sich viele Augen etwas neugierig zu
uns. Besonders ich, da ich offensichtlich wirklich der einzige Hellhäutige
bzw. „Tourist“ in der Stadt bin. Ansonsten ist die Stadtbevölkerung rein
marokkanisch.
Nachmittags absolvieren wir ein
erstes Training in der Hügelzone, die Laufstrecke dennoch mehrheitlich
flach. Die Strecke ist superschön, mit viel Fernsicht. Ich spüre einen
intensiven Muskelkater vom Vortag. Zudem hatten wir bei Aziz erst kurz vor
dem Training noch gegessen, das ich nicht so schnell verdauen konnte. Wir
laufen in strömendem Regen. Dies sollte jedoch das Einzige Mal während
meines Aufenthaltes sein. Na egal, die Landschaft ist dafür an diesem Tag
eins A. Anschliessend duschen wir im Sportcenter. Zu Hause gibt es keine.
Nach Hause fahren wir heute ausnahmsweise mit dem Taxi, da es immer noch
regnet, ein Taxi zu finden war jedoch nicht ganz einfach. Viele Taxis fahren
am Tag des Schafsfestes nicht, dabei würden jetzt doch alle mit dem Taxi
fahren da es regnet und die Chauffeure könnten ein gutes Geschäft machen!
Ich lerne heute viele Leute
kennen, alle sind sehr nett und gastfreundlich. Leider sprechen fast alle
Einwohner nur arabisch, nur die wenigsten können ein wenig französisch. Mit
den wenigen Worten auf französisch und sehr viel Zeichensprache, werde ich
aber doch von allen willkommen geheissen und akzeptiert sowie in die
Gespräche miteinbezogen. Ganz dem Motto nach: „Deine Freunde sind auch meine
Freunde“. Abends wird mit der ganzen Familie zusammen gegessen: Aziz, seine
Schwester Nsah, zwei Cousins und seine Mutter Fatma.au
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